Die Forschungsstätten:
DFG-Geförderte waren an einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Einrichtungen tätig

Die etwa 50.000 in GEPRIS Historisch dokumentierten Anträge lassen sich insgesamt knapp 2.400 verschiedenen Einrichtungen an mehr als 800 Orten zuordnen. Die große Zahl deutet schon an, wie divers sich die Forschungslandkarte in jenen Jahren gestaltete. Eine Rolle spielte dabei auch das internationale Förderhandeln: Aus immerhin über 50 Ländern reichten (in der Regel deutsche oder österreichische) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Anträge bei der DFG ein, das Spektrum reicht von der Tung Chi Universität Woosung (heute: Wusong beziehungsweise Tongji-Universität) in Shanghai über die Landwirtschaftliche Hochschule Ankara, Türkei (heute Teil der Universität Ankara) bis hin zu Fernando Poo (heute: Bioko), einer Insel im Golf von Guinea und politisch zu Äquatorialguinea zählend, wo in den Jahren 1938 bis 1941 an einer eigens eingerichteten Forschungsstation eine Reihe von Agrarwissenschaftlern und Medizinern mit Mitteln der DFG Forschungsaufenthalte absolvierten.

Prägend war eine Vielzahl oft kleiner Forschungseinrichtungen

Der bedeutendste Standort DFG-geförderter Forschung war mit Abstand Berlin. Von hier aus wurden etwa 13.000 Anträge bei der DFG eingereicht, verteilt auf gut 500 Institutionen. Deutlich sichtbar waren in jenen Jahren auch die Standorte München (knapp 4.000 Anträge), Leipzig und Göttingen (je knapp 1.800 Anträge) sowie Bonn, Frankfurt, Hamburg und Freiburg (zwischen 1.200 und 1.400 Anträge). Starke Standorte waren darüber hinaus aber auch Breslau (knapp 1.700 Anträge, damals mit der Region Niederschlesien Teil des Deutschen Reiches) und Wien (etwa 1.500 Anträge), wo auch schon vor dem Anschluss im März 1938 eine große Zahl an DFG-Antragstellenden gefördert wurde. Dieses „Ranking“ der großen Forschungsstandorte soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gros der für die Jahre 1920 bis 1945 dokumentierten Anträge tatsächlich eher aus kleinen und örtlich weit gestreuten Forschungseinrichtungen stammte. Für knapp 2.500 Einrichtungen sind maximal drei Anträge für den gesamten Berichtszeitraum dokumentiert. Die Spanne reicht von der „Akademischen Selbsthilfe Aachen e. V.“, an der aus Sondermitteln der Wissenschaftlichen Akademikerhilfe eine Untersuchung der Absatzverhältnisse, Wertstoffanalysen und Bodenuntersuchungen für Heil- und Gewürzpflanzen gefördert wurde, über das Königin Carola Gymnasium in Leipzig, dessen Rektor einen Druckzuschuss für die von ihm herausgegebenen Jahrbücher für das klassische Altertum erhielt, bis hin zur Zuckerfabrik in Klein Wanzleben (Sachsen-Anhalt, auch bekannt als „Zuckerdorf Klein Wanzleben“), wo (wiederum aus den Sondermitteln der Akademikerhilfe) eine Untersuchung über Zuckerrübenbiologie gefördert wurde.

Einrichtungsart der Forschungsstätten

Um eine Übersicht zu den Einrichtungsarten zu gewinnen, denen die Forschungsstätten von Antragsbeteiligten zuzuordnen waren, wurden diese für GEPRIS Historisch klassifiziert. Tabelle 1 gibt einen Überblick.

Tabelle 1: Antragsbeteiligungen je Einrichtungsart 1920 bis 1945

Einrichungsart Anzahl Prozent
Hochschulen 32.397 60,5
Kaiser-Wilhelm-Institute 2.304 4,3
Akademien 803 1,5
Ministerien, Behörden, Ämter 2.694 5,0
Krankenhäuser, med. Forschungsstätten, Heime 1.386 2,6
Vereine, Gesellschaften, Kommissionen 2.169 4,1
Wirtschaft und Industrie (einschl. Verlage) 665 1,2
Schulen, Lehranstalten 1.138 2,1
Privatpersonen 2.130 4,0
Sonstiges 5.966 11,1
nicht klassifizierbare Beteiligungen (3,6 % von 1.903 insgesamt)
Insgesamt 53.555

Am 20.10.2021 aktualisierte Zahlen.

Zu beachten ist, dass die Zahl der zu Einrichtungen zugeordneten Personenbeteiligungen höher ausfällt als die Zahl der in GEPRIS Historisch nachgewiesenen Anträge, da für einige Anträge auch zwei und mehr Personenbeteiligungen dokumentiert sind (vor allem bei Stipendienanträgen, wo in der Regel Angaben zum antragstellenden Hochschullehrer und zum Stipendiat, beziehungsweise zur Stipendiatin vorliegen). Weniger als 4 Prozent aller Beteiligungen konnten keiner Einrichtung zugewiesen werden, weil weder die genutzten Primärquellen noch ergänzende Webrecherchen (bisher) hier entsprechende Hinweise gaben.

Wie einleitend ausgeführt, ist das Gros der Antragstellenden an deutschen oder ausländischen Hochschulen tätig gewesen, etwa 60 Prozent aller Antragsbeteiligungen entfallen auf den Hochschulsektor. Zum Vergleich: Heute beträgt der Hochschulanteil an DFG-Anträgen etwa 89 Prozent (DFG, 2018: 45). Von der Technischen Hochschule Karlsruhe, 1825 als Polytechnikum gegründet und 1865 durch Großherzog Friedrich I. zur Technischen Hochschule erhoben, erreichten die DFG zwischen 1920 und 1945 beispielsweise fast 400 Anträge. Weil aus den Quellen zum Teil hervorgeht, an welchen Instituten Antragstellende tätig waren, lassen sich in GEPRIS Historisch auch besonders antragsaktive Institute identifizieren. An der badischen TH, die seit dem 2009 erfolgten Zusammenschluss mit dem ebenfalls in Karlsruhe angesiedelten Forschungszentrum Karlsruhe als Karlsruher Institut für Technologie (KIT) firmiert, waren das etwa das Lichttechnische Institut, das Hochspannungs-Institut, das Institut für Lebensmittelchemie, das Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen oder auch das Flussbaulaboratorium.

Das einleitend gezeichnete Bild einer sehr breit ausdifferenzierten Forschungslandschaft wird durch die Vielzahl der im Weiteren aufgelisteten Einrichtungsarten bestätigt. Mit einer größeren Zahl an Anträgen ist vor allem die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (KWG) zu nennen. Die Zahl der zur KWG zählenden Institute und Forschungsstellen lag zu Beginn der NS-Zeit im Jahr 1933 bei 35 bis kurz vor Ende des Krieges im Jahr 1945 war sie auf 47 gestiegen. Laut einer Studie von Rüdiger Hachtmann gab es „zum Teil recht weit gediehene Pläne für die Gründung zusätzlicher Institute“, die „wegen des Kriegsverlaufs nicht mehr realisiert werden“ konnten (Hachtmann, 2007: 21). Bei der DFG sind für immerhin 42 der 50 damals existierenden Institute (zuzüglich der in Berlin ansässigen Generalverwaltung) Anträge dokumentiert. Mit einem Anteil an allen Antragsbeteiligungen in Höhe von über 4 Prozent war die KWG eine sehr antragsaktive Organisation. Etwa 250 Antragsbeteiligungen sind etwa für das 1911 eröffnete Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem in GEPRIS Historisch dokumentiert. Viele Anträge waren auf dessen Gründungsdirektor und späteren Nobelpreisträger Fritz Haber ausgezeichnet. Als dieser sich 1933 weigerte, jüdische Mitarbeiter zu entlassen und von seinem Posten zurücktrat, wurde er zunächst von Gerhart Jander abgelöst (für den nur zwei DFG-Anträge dokumentiert sind), welchem wiederum der sehr antragsaktive Chemiker Peter Adolf Thiessen nachfolgte, der von 1935 bis zum Ende des Krieges Direktor des Instituts war.

Auf die Sammelkategorien „Vereine, Gesellschaften, Kommission“ sowie auf Ministerien, Behörden und Ämter“ entfallen etwa 5 Prozent aller Anträge, an Akademien der Wissenschaft waren weniger als 2 Prozent aller Antragsbeteiligten beschäftigt. Das Gros entfällt dabei auf die Preußische Akademie der Wissenschaften mit gut 450 Anträgen.

Bezogen auf Ministerien, Behörden und Ämter reicht das Spektrum vom Bayerischen Amt für Denkmalpflege, das verschiedene Druckzuschüsse für eine Publikationsreihe zu Bayerischen Kunstdenkmälern einwarb, bis hin zum Tiergesundheitsamt in Hannover, das über die DFG eine wissenschaftliche Auswertung der bei der tierärztlichen Überwachung der Rohmilchbestände gewonnenen Ergebnisse finanzierte.

Ölförderfeld der Karpathen-Öl AG, Ukraine.

Quelle: LukaszKatlewa, Oil wells in Boryslav,
CC BY-SA 4.0.

Wie das obige Beispiel der Zuckerfabrik zeigte, war in jenen Jahren auch die Industrie mit Anträgen bei der DFG vertreten – wenn auch mit etwa 1,3 Prozent der Anträge in überschaubarem Umfang und konzentriert auf die Zeit ab 1937, als der Reichsforschungsrat (RFR) den größten Teil der DFG-Arbeit übernahm. An die Fernseh GmbH in Berlin, die im Juli 1929 von der Baird Television Ltd. (London), Zeiss Ikon (Dresden), D. S. Loewe (Berlin) sowie der Robert Bosch GmbH (Stuttgart) ins Handelsregister eingetragen worden war, wurden in den letzten Kriegsjahren Forschungsaufträge zur Übertragung von Bildänderungen für Fernsehen sowie zu Verbesserungen am Bildspeicherrohr erteilt. Die nach dem Krieg aufgelöste Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG, kurz I. G. Farben, war unter anderem an verschiedenen Vorhaben der RFR-Fachsparte „Mineralölforschung“ beteiligt. Das in Wuppertal angesiedelte Textilunternehmen J. P. Bemberg AG erhielt über die RFR-Fachsparte „Faserstoff- Forschung“ in den 40er-Jahren mehrere Forschungsaufträge, maßgeblich zur Herstellung kupferbasierter Fäden. Die erst 1942 mit dem Zweck gegründete Karpaten-Öl AG, die Erdöllager vornehmlich in der Ukraine und in Polen für das Deutsche Reich mit Hilfe von Zwangsarbeitern auszubeuten, ließ sich vom RFR erdölgeologische Studien finanzieren, die Osram-Werke in Berlin warben Forschungsaufträge der RFR-Fachsparte „Hochfrequenzforschung“ ein.

Zu nennen sind hier auch die Verlage und Organisationen wie der Börsenverein der Deutschen Buchhändler, der mit Mitteln der DFG umfangreich ausländische Bücher und Zeitschriften beschaffte. Der Gustav Fischer Verlag in Jena erhielt Mittel für die Produktion verschiedener Fachzeitschriften, der in Leipzig ansässige B. G. Teubner Verlag wurde für die Erstellung der Reihe Bibliotheca Teubneriana bezahlt und der Max Niemeyer Verlag in Halle lieferte die Zeitschrift für celtische Philologie und Volksforschung. Eine ganze Reihe weiterer großer und kleiner Verlage war in die Produktion weiterer Zeitschriften und Buchreihen eingebunden.

Angewandte Forschung: Das Beispiel der Agrarwissenschaften

Die damalige Forschungsförderung war in vielen Bereichen sehr praxisorientiert. Während in der Zeit der Weimarer Republik insbesondere mit der Einführung der Gemeinschaftsarbeiten hiermit auch eine Strategieentscheidung verbunden war – der damalige DFG-Präsident Friedrich Schmidt-Ott wollte mit diesen „großen Forschungsaufgaben auf dem Gebiete der nationalen Wirtschaft, der Volksgesundheit und des Volkswohles“ den zuvor noch recht fragilen Stand der DFG als unentbehrliche Förderer relevanter Forschung festigen –, kam im „Dritten Reich“ das Motiv der Kriegswichtigkeit hinzu.

Die Praxisorientierung wird in GEPRIS Historisch vor allem auf dem Gebiet der agrarwissenschaftlichen Forschung deutlich. Deren Anteil am Förderportfolio der DFG betrug in den Jahren 1920 bis 1936 etwa 7 Prozent („Land- und Forstwirtschaft“), von 1937 bis 1945 waren es 28 Prozent. Und sie zeigt sich nicht zuletzt an den Institutionen und Berufen der Personen, die gerade auf diesem Gebiet verstärkt als Antragstellende an die DFG herantraten. Zu nennen ist etwa die Gruppe der Förster, nicht selten ohne genauere Angabe zu ihrer institutionellen Anbindung und so vermutlich tatsächlich für forstbezogene Aufgaben am jeweils erfassten Ort tätig. So etwa in Person des bisher nicht näher identifizierten und in Königsberg wirkenden „Oberförsters Ring“, der sich mit mehreren Anträgen auf dem Gebiet der Holzverwertung sowie mit Studien zum „Nonnenfrassgebiet der Rominter Heide“ an die DFG wandte. Oder auch Georg Karl Spitzenberg, der nach seiner ersten forstlichen Prüfung ein Studium absolvierte und als Förster und Hegemeister eine Reihe von Patenten für Verfahren und Geräte entwickelte, manche davon ausgezeichnet auf den Weltausstellungen in Chicago (1893) und später noch dem erstaunten Publikum der Berliner Gewerbeausstellung (1896), der Weltausstellung in St. Louis (1904) sowie 1913 in Russland präsentiert.

Auch Landwirte traten an die DFG mit Forschungsanträgen heran. Viele von ihnen hatten vorher ein Biologie- oder Landwirtschaftsstudium absolviert, sich dann aber gegen eine akademische Karriere entschieden. Bei der DFG aus diesem Personenkreis eingereichte Projekte befassen sich mit Fragen der Pflanzenzucht und Saatgutforschung, der Tierernährung, der Entwicklung landwirtschaftlicher Geräte oder der Behandlung von Tier- und Pflanzenkrankheiten.

Tatsächlich waren die Agrarwissenschaften seinerzeit aber auch an sehr vielen Hochschulen prominent vertreten und auch das Netz an außeruniversitären Forschungseinrichtungen war dicht gewebt. Allein die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft betrieb sechs Einrichtungen mit landwirtschaftlichem Schwerpunkt, so das KWI für Kulturpflanzenforschung in Wien, das KWI für Tierzuchtforschung in Rostock oder das KWI für landwirtschaftliche Arbeitswissenschaft in Breslau.

Privatgelehrte, Forschungsreisende und nebenberuflich Forschende

Eine Gruppe von Wissenschaftlern, die damals das Antraggeschehen der DFG mitprägten, waren Privatgelehrte. Es ist schwer, deren Anteil genau zu quantifizieren, zum einen, weil bei vielen Personen (noch) nicht abschließend entschieden werden konnte, ob das Fehlen einer Institutsangabe schlicht der Lückenhaftigkeit der Quellen (sogenannte missing values) geschuldet ist oder tatsächlich dem Umstand, dass die Person von einer Privatadresse aus an die DFG herangetreten ist. Zum anderen, weil viele Privatgelehrte durchaus institutionell gebunden waren – wenn auch nicht unbedingt an Institutionen, die man aus heutiger Sicht als typische Forschungsstätten bezeichnen würde.

Immerhin fast 30 Forscher traten mit etwa 60 Anträgen ausdrücklich als Privatgelehrte an die DFG heran. Häufig ging es dabei um einen Druckzuschuss für in der Regel geisteswissenschaftliche Publikationen. Aber auch Natur- und Heimatforscher wandten sich an die DFG, etwa für eine Studie zu den Heuschrecken des schwäbischen Alpenvorlandes oder zur Flora des Kreises Gelnhausen. Als bekanntester Privatgelehrter kann sicher Ludwig Quidde bezeichnet werden, für den die Quelle zu einem im Jahr 1934 nicht näher spezifizierten Antrag auf einen Druckzuschuss einen entsprechenden Status dokumentiert. Quidde erhielt 1927 gemeinsam mit Ferdinand Buisson den Friedensnobelpreis und war zudem langjähriger Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft (ebenfalls „DFG“). Bei einem drei Jahre zuvor beantragten Druckzuschuss fungierte er noch als Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Der Privatgelehrten-Status im Jahr 1934 war allerdings alles andere als freiwillig gewählt, denn Quidde sah sich aufgrund seines besonderen politischen Engagements gezwungen, zu Beginn der NS-Diktatur ins Schweizer Exil zu emigrieren, wo er unter sehr schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen bis zu seinem Tod 1941 ohne feste Anstellung und Gehalt zum Teil von Spenden, zum Teil von einem geringfügigen Nobel-Stipendium sowie von seltenen Beiträgen für Schweizer Zeitungen und gar von gelegentlichen Gartenarbeiten lebte.

Einzelne Privatgelehrte warben über viele Jahre erfolgreich Mittel bei der DFG ein, so etwa der Psychologe und Rassenforscher Ludwig Ferdinand Clauß, für den von 1925 bis 1939 Anträge verzeichnet sind, aber erst ab 1937 mit institutioneller Anbindung an die Universität Berlin. Clauß unternahm viele Reisen mit Unterstützung der DFG, so etwa für rassenpsychologische Forschungen an Beduinen in Palästina oder nach Süd- und Osteuropa zur „Erforschung gewisser ethnographischer Typen“. Clauß wurde 1943 aus dem Beamtenverhältnis entlassen, den Prozess ins Rollen gebracht hatte eine Anzeige seiner zweiten Frau beim Rassenpolitischen Amt . Als er nach dem Krieg einen Antrag auf Wiedergutmachung stellte, wurde dieser abgelehnt, weil Clauß „den Nationalsozialismus gefördert habe“. Clauß sollte nie wieder richtig Fuß fassen. Seiner Forschung widmete er sich allerdings auch in der Nachkriegszeit, auch mithilfe der DFG, die ihn bei Forschungsreisen in außereuropäische Länder wie die Türkei oder den Iran unterstützte.

Sogenannte Forschungsreisende stellten eine weitere, wenn auch deutlich seltener bei der DFG vertretene Form institutionell ungebundener Wissenschaftler dar. Deren große Zeit war eher das 19. Jahrhundert, ihr sicher berühmtester Vertreter Alexander von Humboldt (1769 bis 1859). Den politischen Rahmen bilden oft koloniale Bestrebungen, etwa in Afrika. Aber auch in den hier betrachteten Jahren führten noch vereinzelte kleine und größere Expeditionen in bis dahin nicht oder kaum erforschte Gebiete.

Der Forschungsreisende Leo Frobenius.

Quelle: George Grantham Bain Collection,
Public Domain.

Zu verweisen ist etwa auf den Autodidakten Leo Frobenius, der in einem 1898 veröffentlichten Aufsatz über den Ursprung der afrikanischen Kulturen die sogenannte Kulturkreislehre begründete. Die DFG förderte ihn über mehrere Jahre bei seinen Arbeiten am „Atlas Africanus“ und unterstützte mehrere seiner ethnografischen Expeditionen nach Afrika. Eher Richtung Norden war der in seinen Anträgen an die DFG selbstbewusst als „Forschungsreisender“ auftretende Ernst Herrmann orientiert. Herrmann unternahm DFG- und anderweitig finanzierte Expeditionen nach Mittelschweden (1924), Norwegen (1925), Santorin (1925/26), Island (1926, 1931, 1934), Lappland (1928 und 1929), Italien (1932, 1936, 1939), Schweiz und Island (1933), Spitzbergen (1937) und Grönland (1938). 1938/39 war er Stellvertretender Expeditionsleiter der Deutschen Antarktischen Expedition. Über seine Reiseerfahrungen hielt er seit den 1930er-Jahren Vorträge, veröffentlichte Beiträge in Presse und Rundfunk sowie auch mehrere eigene Bücher.

Ein weiterer hauptberuflicher Forschungsreisender war Herbert Baldus. Er befand sich 1933 auf einer Expedition in Brasilien und nahm die Machtübergabe an die Nationalsozialisten zum Anlass, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren. 1939 erhielt er eine Professur an der Escola de Sociologia e Politica in Sao Paulo. Einen 1936 aus Brasilien bei der DFG eingehenden Antrag von Baldus auf Geräteförderung nahm die DFG seinerzeit „zu den Akten“.

Als letztes Beispiel sei schließlich Gottfried Merzbacher genannt, seines Zeichens nicht nur Forschungsreisender, sondern auch „Alpinist“ und in Sachen Geografie praktisch Autodidakt. Für seine Erforschung der Alpen und seine grundlegenden kartografischen Werke erhielt er 1901 den Ehrendoktortitel der Universität München, 1907 wurde er gar zum „Prof. h.c.“ ernannt. Die DFG unterstützte Merzbacher mit einem Druckzuschuss für ein Kartenwerk zum zentralasiatischen Tian-Shan-Hochgebirge.

In einem Graubereich bewegen sich schließlich Forschende, die zwar institutionell gebunden waren, ihre Forschung dort aber eher privat, beziehungsweise nebenberuflich betrieben, also ohne unmittelbaren Bezug zu ihren dienstlichen Aufgaben.

Immerhin gut 1.100 Anträge gehen auf Personen zurück, für die eine Tätigkeit als Lehrer an einem Gymnasium, einer Mittelschule oder einem theologischen Seminar dokumentiert ist – in den Quellen nicht selten ohne konkrete Benennung der jeweiligen Schule, sondern nur mit Verweis auf den Beruf (zum Beispiel Studienrat, Gymnasiallehrer). Gut zwei Drittel dieser Anträge bezogen sich auf Forschungsarbeiten im geistes- und (seltener) sozialwissenschaftlichen Bereich und dabei insbesondere auf philologische Themen. Aber auch die Lebens- und Naturwissenschaften sind vertreten, eher selten finden sich Beiträge aus dem ingenieurwissenschaftlichen Spektrum. Die häufigste Beihilfeart war entsprechend der Druckzuschuss (etwa 40 Prozent der Anträge), aber auch Anträge auf Reisebeihilfen, Sachbeihilfen und Stipendien wurden vergleichsweise häufig eingereicht (zwischen 12 und 22 Prozent).

Als regelrechter Vielantragsteller trat etwa der Germanist Reinhold Backmann auf. Insgesamt 36 Anträge reichte er bei der DFG ein, allerdings alle zu genau einem Werk, der Arbeit an einer kritischen Gesamtausgabe von Grillparzer. Die Arbeit nahm er von 1928 bis 1935 parallel zu seiner Lehrtätigkeit am Realgymnasium und von 1936 bis 1939 am Staatsgymnasium Plauen wahr. Von 1935 bis 1941 wurde ihm hierzu ergänzend aus DFG-Mitteln ein Arbeitsplatz am Graf Kuno Klebelsberg-Institut in Wien finanziert. 1942 zog er endgültig nach Wien um, ab 1943 finanziert über eine Bibliotheksrat-Stelle an der Stadtbibliothek Wien. Er setzte seine Arbeit, quasi als Lebensaufgabe, an der Gesamtausgabe bis zu seinem Tod 1947 fort.

Unter den an Schulen Lehrenden finden sich einige Frauen, sicher auch, weil diesen seinerzeit der Weg zu einer akademischen Karriere in der Wissenschaft größtenteils noch verschlossen war. Ein Beispiel ist Eva Sachs, die 1914 mit einer Arbeit über den griechischen Mathematiker Theaitetos promoviert hatte, trotz guter Bewertung ihrer Doktorarbeit fand sie keine Anstellung an der Universität. Ihre insgesamt drei Stipendienanträge richtete sie zwischen 1925 bis 1927 von der Cecilienschule und Staatlich Augustaschule in Berlin an die DFG, der Gegenstand waren Untersuchungen über die archaische Rhetorik.

Auch die Österreicherin Edith Kann musste nach erfolgreicher Promotion auf eine Lehrerinnentätigkeit ausweichen, nach durch die Wirtschaftskrise bedingter Arbeitslosigkeit zunächst von 1935 bis 1936 als Privatlehrerin in Ankara, später von 1940 bis 1967 an mehreren Wiener Mittelschulen. In den Jahren dazwischen arbeitete sie als DFG-geförderte Stipendiatin an der Hydrobiologischen Anstalt der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Plön. Kann hat insgesamt 36 botanische Arbeiten veröffentlicht und galt als eine der führenden Autoritäten für Blaualgen. Ihr DFG-Stipendium beschäftigte sich mit dem Litoral der Plöner Seen.

Eine recht große Zahl an Anträgen erreichte die DFG in jenen Jahren auch aus Pfarreien, beziehungsweise von hauptberuflichen Pfarrern oder Pastoren. In der Regel promoviert oder mit einem Lizentiat ausgezeichnet (in der katholischen Theologie Voraussetzung, um an kirchlichen Hochschulen zu lehren), nutzte auch dieser Kreis vor allem das Instrument des DFG-Druckzuschusses, um überwiegend theologische Schriften zu veröffentlichen. Es finden sich aber auch Anträge zu weltlichen Themen. So erhielt der „Pfarrer in Rente“ und ehemalige Missionar Karl Roehl in den 40er-Jahren drei Bewilligungen für die wissenschaftliche Bearbeitung besonderer Fragen des Suaheli, die dieser an seinem Altersruhesitz in Königswinter bei Bonn durchführte. Und der auf der Insel Hiddensee tätige Pfarrer Arnold Gustavs befasste sich wissenschaftlich sowohl mit der Geschichte der Insel wie auch mit einer Keilschrift, die im Vorderen Orient im Zeitraum von etwa 2600 bis in die letzten Jahrzehnte v. Chr. von vielen Völkerschaften in verschiedenen Sprachen benutzt wurde.

Schließlich fanden sich auch in der ein oder anderen Amtsstube Forschende, die neben ihrer offiziellen Dienstaufgabe die Möglichkeit nutzten, wissenschaftlich tätig zu sein. Zu nennen ist etwa der in Königsberg tätige Amtsrichter Arthur Warda, der sich als Kant-Forscher einen Namen machte. Die DFG förderte das von ihm herausgegebene Werk „Briefwechsel zwischen Karl Rosenkranz und Rahel Varnhagen von Ense“, das 1926 erschien. Ebenfalls am Gericht tätig war Hans Woldemar Schack. Als Amtsrichter am Landgericht Coburg betrieb er nebenberuflich botanische Forschungen. Die DFG unterstützte ihn mit einer Druckbeihilfe zu einer Studie über von ihm gesammelte Hieracien (Habichtskräuter). Herman-Walther Frey, Referent im Amt Wissenschaft des Reichserziehungsministeriums, war schließlich neben der Verwaltungsarbeit als Musikwissenschaftler und Kunsthistoriker tätig. Die DFG förderte seine Studien zu Vasari in dieser Zeit mit zwei Druckzuschüssen und einer Sachbeihilfe.

Kriegswirkungen auf Forschungseinrichtungen

In seiner Studie „Bombs, Brains, and Science: The Role of Human and Physical Capital for the Creation of Scientific Knowledge“ vergleicht der Wirtschaftswissenschaftler Fabian Waldinger die langfristigen Folgen der physischen Zerstörung von Forschungsinstituten durch Bombenangriffe mit den Folgen der Vertreibung führender Wissenschaftler für die Wissensproduktion der Nachkriegszeit in ausgewählten Fächern. Seine Befunde weisen darauf hin, dass die Wirkung der physischen Schäden deutlich schneller überwunden wurde als die der Vertreibung (Waldinger, 2016). Kriegsschäden bilden sich vereinzelt auch in den Daten von GEPRIS Historisch ab. So ist in den aufbereiteten Quellen für manchen Forschungsstandort DFG-geförderter Wissenschaftler dokumentiert, dass für diesen ein Ausweichquartier eingerichtet wurde – entweder, weil der Hauptstandort tatsächlich schon zerstört war, oder um drohenden Zerstörungen durch immer häufiger erfolgende Bombenangriffe auszuweichen.

Solche „Ausweichstellen“ sind etwa für das Mineralogische Institut der TH Aachen dokumentiert, das 1944 nach Dillenburg in Hessen umzog, oder für das Reichskommissariat für die Festigung des deutschen Volkstums, das im selben Jahr von Berlin-Dahlem nach Schweiklberg (bei Vilshofen) in Niederbayern wechselte. Ebenfalls aus Berlin wurde das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie 1945 nach Tailfingen in Württemberg verlagert, das in Düsseldorf angesiedelte KWI für Eisenforschung wich 1944 an die Bergakademie Clausthal-Zellerfeld aus und das KWI für Metallforschung in Stuttgart wechselte nach Urach (heute: Bad Urach).

Literatur

Deutsche Forschungsgemeinschaft, 2021: Förderatlas 2021. Kennzahlen zur öffentlich finanzierten Forschung, Weinheim.

Hachtmann, Rüdiger, 2007: Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Göttingen.

Waldinger, Fabian, 2016: Bombs, Brains, and Science: The Role of Human and Physical Capital for the Creation of Scientific Knowledge, in: Review of Economics and Statistics, 98, 5: 811–831.

  • Zuletzt aktualisiert: 15.11.2023 13:00
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